Eingetrichtert

Jaja - Horn spielen ist doch schwer. Hörner, das sind diese goldenen Dinger - geschwungen und mit Trichter, und die drauf spielen stecken fast immer die Hand rein - genau gesagt: die Faust. Das wiederum ist schwerkraftbedingt - das Goldhorn würde ja sonst herunterpurzeln. Und wo soll man es sonst festhalten. Und leiser ist es auch, wenn man die Faust reinsteckt. Vorbei die Zeiten der Bratscherwitze nach dem Motto was heißt Bratsche auf Arabisch - Antwort: is lahm. Die Bratscher haben es nicht verdient - sind irgendwie völlig zu unrecht ins orchestrale Abseits geraten. Kein Mensch weiß warum.  Franz ist sicher, dass es an der zeit ist, dass man sich mal - jovial und streng wissenschaftlich- mit dem Phänomen [Fänomehn] Horn auseinandersetzt, bevor es endgültig zu spät ist und die Hornisten das Kulturleben vollends an den Rand des Abgrundes geblasen haben.  Immerhin - das eine ist Franz jetzt klar: jemandem Hörner aufsetzen, der Gehörnte sein - alle Schmach und Schande des Liebeslebens rührt von diesem einen Instrument her. Es gibt da keinerlei Zweifel mehr. Wenn jemals etwas klar war, dann das.

Franz und die Hörner - eine sich langsam entwickelnde Geschichte fortschreitenden Wahnsinns und klaffender Abgründe. Mit Haydn fing alles an. Franz hatte sich eine Symphonie [Sümmfonie] zu öffentlich-akustischen Exekution [Ecksekuttijon] ausgesucht. Nr. 86 - A-Dur. Haydn wird ohnehin krass unterschätzt - anscheinend auch seitens der Hornbläser. Blech - immer eine schwer zu besetzende Fraktion des Orchesters - vornehmlich auf dem platten Land. Da wird das Blech allenfalls beim Schützenfest bemüht. Pausbackigrotköpfige stoßen unter unsäglichen Mühe viervierteltaktige Marschmotive in die Ventile: wummtata. Oder es wird ein Musicalabend - neuerdings: Musicalnait - gegeben. Memories... - untermischt mit Zigeunerweisen und Ungarischem des großen Hamburgers mit dem B. Brahms und der Zwang zum Süden. Symphonisches ist nicht gefragt.

Franz jedenfalls hatte sich mehroderwenigernichtsahnend eine Haydn-Syphonie - ja, Nr. 86 war´s - ausgesucht: eine Flöte (mit Solo), zwei Oboen (eine mit Solo im zweiten Satz), zwei Fagotte (eines mit Solo im zweiten Satz) und - 2 Hörner mit dem üblichen Füllwerk. Die Streicher waren vorbereitet. Die Bläser kamen - wie nicht unüblich - zur letzten Probe vor dem Konzert. Selbst die Hornisten sahen sympathisch aus - wirklich. Nette Junge im Hawai-Hemd und mit Bermuda-Shorts - das Wetter ließ es zu. Aus ihren  akkordeongleichen Koffern holten sie blank Geputztes und lächelten dazu. Letzte Absprachen bezüglich der Tempi und des Schlages wurden getroffen:

Also den ersten Satz machen wir auf Halbe, das Tempo halt Allegro, zweiter Satz in Achteln wegen der Sextolen in den zweiten Geigen, eigentlich besser in Vierteln, aber nicht gur für die Präzision im Zusammenspiel, Menuett auf ganze Takte, ebenso das Trio, dann die Wiederholung, und schließlich das Finale, die Fermaten finden statt und werden abgeschlagen, Dynamik auf Zuruf wie beim großen Walter, der auch immer an den leisen Stellen RRuuuhe!!!! ins Orchester brüllte und Piaaaaaaanooo!!!, das wirkt ungeheuerlich, und dazu stampfte der mit dem Fuß aufs Parkett, dass es nur so krachte.

Die Hörner hatten dann noch ein paar kurze Fragen, aber wichtig:

Wird der erste Satz auf Halbe geschlagen und wie ist es mit den Fermaten im Schlusssatz, wird das Menuett auf ganze Takte gespielt, und der zweite Satz - wird der in Achteln gemacht.....

Immerhin: die Bratschen hatten´s wohl auf Anhieb verstanden. Trotzdem: keine Spur von Misstrauen bei Franz. Man hat ihm die Hörner empfohlen. Die sind gut! Die kannst du unbesehen nehmen. Alles klar - es kann losgehen: Franz hebt den Taktstock - und bitte. Das klingt ja nicht schlecht. Wirklich. Schließlich ist das die erste Probe. Aber es ist auch die letzte - vor dem Konzert. Und dann - das Ausrufzeichen in der Partitur: der erste Horneinsatz. Zu zweit fallen sie unsisono über das völlig unvorbereitete Orchester her und verwüsten ihre Umgebung wie eine Sprengbombe. Fachausdruck: Kieksen. Im oberen dynamischen  Bereich. Als würde jemand mit einem gigantischen Strohhalm in einen nicht weniger gigantischen Joghurtbecher blasen. Das also sind die Hörner, die Franz unbesehen nehmen kann. Was sagt man denen jetzt? Die haben ja wohl selbst gemerkt, dass das nicht unbedingt richtig war. Sie lächeln. Franz winkt ab. Nochmal von vorn. Kann passieren. Ab dafür. Selbe Stelle: die Hornisten setzen freundlich lächelnd zum Todesstoß an. Franz lässt die Sache laufen. Kannjamalpassieren. Beim nächsten Einsatz wieder der gigantische Joghurtbecher. Es schwant dem Dirigenten: Horn spielen muss schwer sein. Dabei sehen die Töne einfach aus. Am Ende beschließt Franz: es ist einfacher, wenn er die richtigen Töne zählt. Die Fehler sind Legion. Das Konzert am Abend: ein Hornchaos mit Orchesterbegleitung. Gigantisch.  Wer redet denn noch über die Bratschen?